In der Ehe läuft es nicht gut; genau genommen läuft es schlecht. Immer schlechter. Es kommt zu Streitigkeiten und letztlich wird klar: Eine Trennung ist erforderlich, Perspektive: Scheidung. Zugunsten der Kinder, aus finanziellen Gründen oder aufgrund der Schwierigkeiten, eine neue Wohnung zu finden, erfolgt die Trennung zunächst innerhalb der ehelichen Wohnung oder des ehelichen Hauses – auch im Hinblick auf die Scheidungsvoraussetzung des Trennungsjahres (§ 1565 II BGB) ist dies möglich, § 1567 I 2 BGB.
Die Spannungen allerdings werden nicht behoben, im Gegenteil: Es wird schlimmer. Die Auseinandersetzungen eskalieren, die Kinder leiden unter der Situation und es kommt zu unliebsamem Besuch neuer Partner. Was ist in dieser unerträglichen Situation zu tun?
Aus Anlass eines übersichtlichen Beitrags von Kasenbacher (NJW-Spezial 2018, 68 f.) soll an dieser Stelle knapp eine mögliche Antwort auf diese Frage gegeben werden, um denen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, eine rechtliche Orientierung zu geben:
Vom Gesetz vorgesehen ist in solchen Fällen die Möglichkeit der Zuweisung der Ehewohnung an einen der beiden Ehegatten. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage enthält § 1361b I 1 BGB. Nach dieser Norm kann ein Ehegatte die Überlassung der Ehewohnung oder eines Teils derselben durch den anderen verlangen. Dafür müssen einige Voraussetzungen vorliegen, namentlich:
- Getrenntleben zweier Ehegatten bzw. Intention zur Trennung
- Ehewohnungsqualität
- Unbillige Härte nach Abwägung
- Kein Ausschluss nach Abs. 4
Die erste Voraussetzung ist weitgehend unproblematisch. Erforderlich ist eine Trennung bzw. die Absicht dazu im Sinne des § 1567 I 1, 2 BGB, also die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft mit der Ablehnung mindestens eines Ehegatten, sie wiederherzustellen.
Die Wohnung, deren Überlassung begehrt wird, muss eine „Ehewohnung“ sein, was dann der Fall ist, wenn die Ehegatten, wenn auch nur zeitweise, zusammen darin wohnten, wobei es zunächst unerheblich ist, ob einer der beiden im Rahmen der Trennung ausgezogen ist (MüKo/Weber-Monecke, § 1361b BGB, Rn. 4). Ausgeschlossen ist ein Anspruch allerdings dann, wenn der Auszug über sechs Monate zurückliegt und eine Rückkehrabsicht nicht mitgeteilt wurde (§ 1361b IV BGB).
Die komplizierteste Voraussetzung ist die dritte genannte: Es muss, nach Abwägung aller Umstände, inklusive des Einflusses auf etwaige Kinder (§ 1361b I 2 BGB) und der dinglichen Rechtslage (Eigentum, etc.) an der Wohnung (§ 1361b I 3 BGB), eine „unbillige Härte“ zu vermeiden sein. Eine kurze und klare Definition, wann eine solche vorliegt, kann nicht gegeben werden; es handelt sich vielmehr um eine einzelfall-, allenfalls fallgruppenorientierte Wertung (vgl. Kasenbacher, aaO, 68), die im Streitfall vom Gericht vorgenommen werden muss. Eine grobe Orientierung gibt § 1361b II BGB, der die Überlassung regelmäßig dann anordnet, wenn der Anspruchsgegner Körper, Gesundheit oder Freiheit des Anspruchsstellers verletzt oder damit gedroht hat und entweder mit weiteren Angriffen zu rechnen ist oder ein Zusammenleben nicht mehr zumutbar erscheint.
Diese hohen Voraussetzungen implizieren allerdings nicht, unter dieser Schwelle sei ein Überlassungsanspruch kaum denkbar. Es genügen zwar nicht die mit einer Trennung immer verbundenen Unannehmlichkeiten, unzumutbare Belastungen unterhalb körperlicher Tätlichkeiten können aber ausreichen. Solche können Belastungen der Kinder durch Streit, Störungen durch Rauschmittelkonsum oder sonstiges rücksichtsloses Verhalten und auch die Aufnahme neuer Partner in die Wohnung darstellen. Im Rahmen der Gesamtabwägung sind dann auch sonstige Lebensbedingungen wie etwa die wirtschaftliche Situation, ein Verschulden und die Intensität der Zerrüttung zu berücksichtigen. Erstere entscheiden auch mit darüber, wem der beiden die Wohnung zu überlassen ist (vgl. Kasenbacher, aaO, 68 f.).
Wie also kann ein Ehegatte, der sich einer „unbilligen Härte“ ausgesetzt fühlt, der somit nach eigenem Empfinden nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung leben kann, einschätzen, ob die Voraussetzungen für einen Überlassungsanspruch auch objektiv gegeben sind, ob mithin ein Antrag im sogenannten Wohnungszuweisungsverfahren (§§ 200 ff. FamFG) Aussicht auf Erfolg hat? Er kann es meist gar nicht. Abgesehen von besonders extremen und eindeutigen Fällen, etwa solchen körperlicher Gewalt, ist eine Vielzahl an Umständen zu berücksichtigen und eine Einschätzung nur in Kenntnis der Rechtsprechungspraxis sinnvoll möglich. Es empfiehlt sich in allen Fällen der begehrten Zuweisung daher, einen spezialisierten Rechtsanwalt zu konsultieren – er kennt mitunter sogar die Entscheidungspraxis des im konkreten Fall zuständigen Familiengerichts und kann daneben über andere Möglichkeiten der Problemlösung beraten.