Kurzzusammenfassung für Eilige
„Seniorenrecht“, „Elder Mediation“ und „Vorsorge“ sind Oberbegriffe für eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungs- und Gestaltungsanliegen und -methoden. Thematisch erfasst werden insbesondere:
- Betreuungsverfügungen
- Vorsorgevollmachten
- Patientenverfügungen
- Praktische Vorsorge für den Pflegefall
- Bestattungsvorsorge
- Vermögensvorsorge
- Vorweggenommene Erbfolge
- Klassische Erbfolge
- Jeweils mittels verschiedenster Instrumente
- Erbschaftsstreitigkeiten
- Versicherungsansprüche
- Sozialleistungsansprüche
- Unterhaltsansprüche
Wichtig für jeden Älterwerdenden ist, sich dieser Möglichkeiten bewusst zu sein und ihre Bedeutung für die eigenen Lebensumstände, eventuell mittels fachkundigen Rats, zu ermitteln.
Begriffliche Ausgangssituation
Häufig ist die Rede vom demographischen Wandel: Die Gesellschaft altere, heißt es allenthalben. Dieser Umstand zeigt sich auch in einer zunehmenden Fokussierung von Rechtsanwälten und Mediatoren auf Themen, die ältere Menschen betreffen oder all diejenigen, die mit solchen familiär verbunden sind.
Dabei nehmen Stichworte einen immer breiteren Raum ein, die eine ganze Reihe von Beratungsleistungen und Problemlagen zusammenfassen. So wird das „Seniorenrecht“ angesprochen, sprachlich als eigenes Rechtsgebiet konstruiert, wenngleich es sich, nach klassischer Betrachtung, um eine Querschnittsmaterie handelt, um einen Sammelbegriff für ganz verschiedene Rechtsprobleme und insbesondere -gestaltungen aus ebenfalls sehr verschiedenen Rechtsgebieten.
Das Gleiche gilt für die sogenannte „Elder Mediation“, die weniger spezielle Methode der Mediation, als vielmehr Themenkomplex für durchaus unterschiedliche Einzelprobleme der Medianten ist (vgl. auch diesen Beitrag).
„Vorsorge“ dagegen lässt deutlicher erkennen, dass hier ein heterogenes Feld von Beratungsbedarf und -leistungen adressiert wird, die nicht nur solche des Rechtsanwalts oder Mediators sind.
Dieser Beitrag soll dazu dienen, einen Überblick über das zu geben, was sich konkret hinter diesen schillernden Abstrakta verbirgt, beispielhaft einige typische Fragestellungen aufzeigen, die das Älterwerden hervorruft und bei denen ein Rechtsanwalt oder Mediator behilflich sein kann.
Vorsorge für Krankheit und Alter
Ein bedeutsamer dieser Themenkomplexe betrifft Vorkehrungen für den Fall der Krankheit oder des Alters, insbesondere für Zustände, in denen die Ausübung der persönlichen und vermögensmäßigen Selbstbestimmung aufgrund geistiger Beeinträchtigungen nicht oder nicht mehr vollständig möglich ist. Dabei kann es sich um vorübergehende Einschränkungen handeln, etwa durch einen Unfall oder eine akute Krankheit, die als solche nicht dem Alter vorbehalten sind. Eine bedeutsamere Rolle nehmen daneben aber chronische und irreversible Alterserscheinungen und -erkrankungen ein, etwa Alzheimer und Demenz.
In diesen Fällen eingeschränkter Leistungsfähigkeit ist von Gesetzes wegen die sogenannte Betreuung vorgesehen, bei der gerichtlich eine Person bestellt wird, die den Betreuten in manchen oder allen Angelegenheiten vertritt. Zum Betreuer wird typischerweise eine fremde Person, die dieser Tätigkeit berufsmäßig nachgeht. Vorher geäußerte Wünsche sollen vom Gericht aber berücksichtigt werden und können in Form einer Betreuungsverfügung artikuliert werden.
Um eine solche amtliche Bestellung zu verhindern oder zu ergänzen, ist es möglich, rechtzeitig, d.h. bevor geistige Beeinträchtigungen eintreten, für diesen Fall einen Bevollmächtigten einzusetzen, regelmäßig mittels Generalvollmacht bzw. Vorsorgevollmacht. Die Vorteile einer solchen privatautonomen Festlegung liegen in der größeren Gestaltungsfreiheit. Der Bevollmächtigende kann nicht nur die Person seines Vertreters festlegen, sondern auch die genauen Voraussetzungen und Kompetenzen seines Tätigwerdens im Innen- wie Außenverhältnis umfassend und optimal zugeschnitten festlegen. Er kann den Spielraum durch Einzelweisungen einschränken oder dem Bevollmächtigten ein weites Ermessen zubilligen.
Diese Gestaltungsmöglichkeiten verdienen rechtzeitige und gründliche Beachtung und Erwägung. Die erweiterten Möglichkeiten individueller Entscheidung führen zu einem hohen Bedarf an situativer Antizipation, erfordern aber vor allem ein umfassendes Wissen über das rechtlich Mögliche und seine Grenzen, daneben optimalerweise praktische Erfahrungen in diesem Bereich. Deshalb sind derartige Gestaltungen zu recht zu einem bedeutenden Tätigkeitsbereich der Anwaltschaft avanciert. Auch die Rolle des Bevollmächtigten kann, sofern das nötige Vertrauensverhältnis besteht, von einem juristisch Fachkundigen sachgerecht ausgeübt werden.
Soweit der Umgang mit der Krankheit selbst betroffen ist, insbesondere deren Behandlung oder ein Behandlungsabbruch, über den der Betroffene nicht mehr selbst entscheiden kann, besteht die Möglichkeit, konkrete Wünsche mittels einer Patientenverfügung vorher festzulegen. Für eine solche hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren erhöhte inhaltliche Anforderungen gestellt, sodass eine wirksame Erstellung mittlerweile einschlägige juristische und medizinische Kenntnisse voraussetzt. Das Ausfüllen eines Kurzformulars reicht grundsätzlich nicht mehr aus.
Neben dem Verfassen einer Patientenverfügung kommt allerdings auch die schlichte Äußerung antizipierter Behandlungswünsche in Betracht. Um diese Gestaltungsmöglichkeiten sicher auszuschöpfen, empfiehlt sich ein auf die konkrete Situation des Betroffenen zugeschnittenes Vorgehen, an dem zweckmäßigerweise sowohl der behandelnde Arzt, als auch ein Rechtsanwalt beteiligt werden, jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für bestimmte Krankheiten in der Zukunft bestehen.
Neben diesen im engsten Sinne rechtlichen Vorkehrungen können sich im Einzelfall auch praktische Vorbereitungen empfehlen, etwa der rechtzeitige Umzug in eine altersgerechte Wohnung mit optionalem Angebot von Pflegeleistungen, die Anmeldung auf der Warteliste einer Seniorenresidenz oder die Vororganisation privater Pflege.
Wer als jüngerer Mensch mit der plötzlichen Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen konfrontiert ist und geeignete Maßnahmen treffen muss, kann ebenfalls juristischen wie praktischen Beratungsbedarf zu diesen Themenfeldern haben.
Vorsorge für den Todesfall
Für den Fall des Todes gibt es zwei Komplexe, die häufig der Regelung bedürfen: die Vermögensnachfolge und die Bestattungsvorsorge. Letzterer ist ein eigener Beitrag gewidmet.
Erstere kann in zeitlicher Hinsicht auf zwei Arten erfolgen: Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und im Wege der (klassischen) Erbfolge.
Die vorweggenommene Erbfolge zeichnet sich dadurch aus, dass das Vermögen des späteren Erblassers unter Lebenden weitergegeben wird, etwa mittels Schenkung, aber auch im Rahmen von Austauschverträgen, in denen sich die Empfänger ihrerseits zu Leistungen an den Übertragenden, etwa Pflegeleistungen, verpflichten; es handelt sich somit formal nicht um Erbfolge. Die Gründe für die Wahl dieses Weges sind mannigfaltig, reichen von steuerlichen Erwägungen über die Sicherstellung der eigenen Pflege bis hin zur Vermeidung von Streitigkeiten und der besseren Kontrolle durch den Übertragenden. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind sehr umfangreich und reichen letztlich grundsätzlich so weit wie die Vertragsfreiheit als fundamentales Prinzip unserer gesamten Rechtsordnung.
Die klassische Erbfolge, die das Gesetz als Regelfall – genaugenommen sogar als zwingend, wenngleich möglicherweise durch vorweggenommene Erbfolge gemindert – ansieht, vollzieht sich mit und exakt im Moment des Todes. Sie bedarf dennoch guter Vorbereitung, denn sie kann ebenfalls privatautonom modifiziert werden, um der gesetzlichen Erbfolge zu entgehen. Die Gestaltungsmittel, die dafür zur Verfügung stehen, sind im Gesetz abschließend normiert und erschöpfen sich in formeller Hinsicht im Testament, dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament und dem Erbvertrag, ergänzt um untergeordnete Regelungsmöglichkeiten wie den Erbverzicht oder die Anrechnungsbestimmung. Materiell stehen Erbeinsetzungen mit eventuellen Teilungsanordnungen, auch in Form der Vor- und Nacherbschaft, Vermächtnisse, Auflagen, die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers und, im Extremfall, der Entzug eines etwaigen Pflichtteils zur Disposition.
Diese Vielfalt, ihre unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen und Wirkungen, mögliche Nebenfolgen und das enorme Konfliktpotential machen die Gestaltung der Erbfolge, insbesondere bei größeren Vermögen und der Unternehmensnachfolge, zu einer komplexen Expertenmaterie, die vom Erblasser selten selbst beherrscht wird. Beratungsbedarf besteht vor allem dann, wenn aufgrund hoher Werte und diffiziler Verhältnisse die Gefahr hoher Schäden oder einer Zersplitterung und eines Zerfalls von Vermögen und Unternehmen besteht.
Auch die Erbfolge betrifft selbstverständlich nicht nur Ältere bzw. den Erblasser, sondern mindestens ebenso spürbar die Empfänger seiner Zuwendungen. Gerade zwischen ihnen gibt es regelmäßig Streitpunkte, vom Miterbenstreit bis hin zur Testamentsanfechtung, daneben sind auch die unstreitige Nachlassabwicklung und der Umgang mit Behörden und Nachlassgläubigern nicht immer trivial.
Sozialleistungen und Unterhalt
Es gibt Fälle, in denen sich die Frage der Vermögensnachfolge mangels Vermögens nicht dringlich stellt. Häufig liegen die Dinge hier eher umgekehrt und ein älterer Mensch benötigt zusätzliche finanzielle Mittel, um sein Leben zu bestreiten. Dies ist kein „Unterschichtenphänomen“, sondern kann aufgrund teuren Pflegebedarfs erhebliche Teile der Bevölkerung treffen.
In diesen Konstellationen kommen Ansprüche auf Sozialleistungen in Betracht. Daneben, genauer: vorrangig, bestehen eventuell Unterhaltsansprüche gegen Familienangehörige, meist Abkömmlinge, also Kinder oder Enkel, die wiederum häufig vom Sozialleistungsträger im Regresswege geltend gemacht werden.
Sowohl bei der Durchsetzung als auch bei der Abwehr stellen sich Rechtsprobleme, die Beratungsbedarf fast schon zwangsläufig nach sich ziehen.
Ebenso kann solcher im Verhältnis zu Versicherungen bestehen, die im Fall von Alter oder Krankheit Leistungen verweigern, für die jahrelang Beiträge entrichtet wurden.
Mediation oder Rechtsberatung
Wie eingangs erwähnt, werden die dargestellten Bereiche sowohl rechtlich, häufig als „Seniorenrecht“, von Rechtsanwälten abgedeckt, als auch im Rahmen der „Elder Mediation“. Es stellt sich mithin die Frage, was man als Betroffener denn nun eigentlich benötigt.
Eine ganz einfache Antwort darauf kann es selbstverständlich nicht geben. Vielmehr ist wichtig zu wissen, worum es sich jeweils handelt. Mediation, so auch die „Elder Mediation“ als thematische Eingrenzung, ist ein Konfliktlösungswerkzeug, eine Form des Interessenausgleichs zwischen Verhandlung und Schlichtung (vgl. dazu diesen Beitrag). Sie eignet sich für vielfältige Konflikte, gerade auch solche zwischen Angehörigen. Sie endet regelmäßig mit einer Vereinbarung zwischen den Parteien, die jeden vertraglich regelbaren Aspekt betreffen kann.
Die Rechtsberatung dagegen verdeutlicht dem Beratenen die juristischen Rahmenbedingungen und kann zu rechtlichen Handlungsempfehlungen führen. Diese können, müssen aber nicht, Gerichtsverfahren betreffen, ebenso vertragliche Gestaltungen.
Mediation und Rechtsberatung auf dem weiten Feld der Vorsorge sind somit keine gegensätzlichen Ansätze oder Handlungsoptionen, sondern vielmehr komplementär einsetzbar. Die Rechtsberatung dient zur Feststellung des Möglichen und seiner korrekten Umsetzung, schafft also rechtliche Hindernisse beiseite, die Mediation dient zur Feststellung des tatsächlich Gewollten und zu seiner interessengerechten Durchsetzung, schafft also tatsächliche und praktische Hindernisse beiseite und ermöglicht die Kompromissfindung.
Damit soll keinesfalls gesagt werden, jeder Mensch müsse im Rahmen seines Alterns mittels Rechtsberatung und ergänzender Mediation eine hochkomplexe Vorsorgeregelung für alle Bereiche treffen. Jeder Mensch, vor allem jeder ältere, sollte jedoch seine eigene Situation, eventuell mit fachkundigem Rat, reflektieren und sich der Weite seines Gestaltungsspielraums und der dafür zur Verfügung stehenden Methoden und Hilfestellungen bewusst sein. Dafür zu sensibilisieren war Anliegen dieses Beitrages.