Mittlerweile ist häufig die Rede von Konfliktbeilegungsmechanismen oder –verfahren. Viele Mandanten fragen sich, was es damit eigentlich auf sich hat, insbesondere wenn sie in ihrem Umfeld oder durch die Medien mit Erscheinungsformen dieser äußerst heterogenen Gruppe von Verfahren konfrontiert werden.
Hier soll ein – notwendig unvollständiger – Kurzüberblick über Möglichkeiten der Konfliktlösung gegeben werden, ausgehend von den Begriffen, die häufig in diesem Zusammenhang fallen und nicht immer verstanden werden, insbesondere im Hinblick auf ihre Unterschiede. Gemeinsam ist allen hier erwähnten Verfahren, dass sie keine staatlichen Gerichtsverfahren sind. Sie zeichnen sich also, einfach gesprochen, dadurch aus, dass nicht ein staatlicher Richter eine Streitsache verbindlich und notfalls mit Zwang durchsetzbar entscheidet.
Die vermutlich bekannteste Form der Konfliktlösung ist die Schlichtung. Sie ist bekannt aus zahlreichen medienwirksamen Verfahren, in denen Angelegenheiten von teils erheblicher öffentlicher Bedeutung und Wahrnehmung verhandelt wurden. Zu nennen sind etwa das Schlichtungsverfahren im Rahmen der Auseinandersetzung um das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ oder diverse (für die Verbraucher oftmals sehr belastende) Arbeitskämpfe, die mehr oder minder erfolgreich beendet wurden.
Doch nicht nur in diesen „großen“ Fällen kommt die Methode zum Einsatz: Grundsätzlich steht es jedem Streitenden frei, sich zur Lösung seiner Probleme eines Schlichters zu bedienen. Das kann zum einen dann geschehen, wenn der Streit schon besteht, was selbstverständlich die Kooperationsbereitschaft der Disputanten voraussetzt, zum anderen ist auch eine vorherige vertragliche Vereinbarung möglich („Schlichtungsklausel“). Sie kann die Parteien verpflichten – oder ihnen auch nur nahelegen – im Falle eines Streits zunächst einen Schlichter zu konsultieren, der die Angelegenheit ohne den Weg vor die staatlichen Gerichte zu einem gütlichen Ende führen soll.
Wesenstypisch für die Schlichtung ist die Einschaltung eines neutralen Dritten in einen Konflikt, der die widerstreitenden Interessen zu einem gerechten Ausgleich bringen soll. Grundsätzlich sind die Maßstäbe seiner Entscheidungsfindung dabei frei disponibel: Die Parteien können bestimmen, anhand welcher Grundsätze entschieden werden soll. Sie können damit sogar festlegen, dass der Schlichter nach seiner eigenen Überzeugung („billiges Ermessen“) eine Lösung finden soll. Abschluss dieses Verfahrens ist regelmäßig ein Vorschlag des Schlichters, den die Parteien im Regelfall annehmen oder ablehnen können. Wird er angenommen, ist der Streit beigelegt, wird er abgelehnt, ist die Schlichtung (vorerst) gescheitert.
Häufig mit der Schlichtung verwechselt wird die Mediation. Auch bei ihr handelt es sich um ein spezielles außergerichtliches Verfahren, das freiwillig und nicht bindend ist. Gleichwohl ist die Methodik nicht zu vergleichen: Hier begegnet den Parteien kein neutraler Dritter, der für sie das Problem löst, sondern es wird eine ebenfalls neutrale, aber moderatorähnliche Person eingeschaltet, die in erster Linie methodische Hilfestellung bietet. Ausgangspunkt dieser Verfahrensweise ist die Überzeugung, dass die Parteien selbst am besten zur Findung ihrer Interessen fähig sind. Nicht das objektiv gerechte oder der normativen Entscheidungsgrundlage entsprechende Ergebnis ist Ziel des Verfahrens, sondern eine interessengeleitete und –gerechte Lösung. Dies bedeutet, dass der Mediator bezüglich der Sache keine eigenen Lösungsvorschläge macht, sondern einen kommunikativen Raum schafft, in dem die Parteien in der Lage sind, diesen Lösungsvorschlag selbst zu finden. Dabei herrscht nicht das Leitbild der a priori existierenden „richtigen Entscheidung“, die (kraft Unbefangenheit) „erkannt“ werden kann, sondern der Fokus liegt auf der Erarbeitung selbst. Garant für die Tragfähigkeit des Ergebnisses ist nicht die besondere Integrität oder Sachkunde des Mediators, sondern das kommunikative Verfahren. Der Mediator wiederum ist Garant dieses Verfahrens.
Die Überzeugungskraft dieses Ansatzes erwächst aus dem Vergleich mit der alltäglichsten aller Konfliktlösungsmethoden: Der Verhandlung. Mag mit diesem Begriff im engeren Sinne nur die Lösungsfindung in hinreichend komplexen Kontexten, etwa bezogen auf Verträge, gemeint sein, so ist doch das Wesen jeder Verhandlung der eigenverantwortliche Ausgleich widerstreitender Interessen in (optimalerweise) völliger Freiheit und Gleichheit. Autonome Verhandlungsparteien ermitteln eine insgesamt interessengerechte Lösung, indem sie zunächst nur ihre eigenen Interessen verfolgen, die sie selbst am besten kennen und am ehrlichsten und überzeugtesten vertreten. Wird dabei eine Übereinstimmung erzielt, die für beide günstiger (d.h. interessengerechter) ist als keine Übereinstimmung, kommt es zum Konsens. Dieser strukturelle Befund trifft dabei nicht nur auf wirtschaftliche Verhandlungen zu, sondern auf nahezu jede Art sozialer Interaktion.
Ausgehend von diesem alltäglichen Grundverhalten des Interessenausgleichs wird in der Mediation versucht, einen vergleichbaren Ausgleich in verfahreneren Situationen herbeizuführen. Dass die Parteien zerstritten sind, ändert aus Sicht dieses Ansatzes nichts an der Fruchtbarkeit von Verhandlungen. Was sie – und damit die wahrhaft adäquate Lösung – verhindert, ist nur eine emotionale Versteifung bzw. Ablehnung, die für die Sache abträglich ist. Sie insofern, als es zur Lösungsfindung erforderlich ist, zu verhindern, hilft der Mediator.
Ebenso wie bei der Schlichtung kann es zum Scheitern kommen, etwa wenn die Parteien auch im Wege des Dialogs keine Lösung erzielen. Ist die Mediation allerdings erfolgreich, basiert die weitere Beziehung der Parteien nicht auf der oktroyierten Lösung eines Dritten, sondern auf eigener Autonomie. Dies soll die Durchführbarkeit und Bestandskraft der Lösung sichern.
Ein weiteres bekanntes Mittel der Konfliktlösung ist das Schiedsverfahren. Bekannt vor allem aus dem internationalen politischen und wirtschaftlichen Geschehen, stellt es ein zwar nicht staatliches, diesem aber deutlich angenähertes Verfahren dar. Strukturell ist es der Schlichtung ähnlicher als der Mediation, denn es entscheiden nicht die Parteien, sondern ein Dritter in der Sache. Maßgeblicher Unterschied zur Schlichtung ist die grundsätzliche Verbindlichkeit des Schiedsspruchs (§ 1055 ZPO). Dieser kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar hoheitlich vollstreckt werden (§ 1060 I ZPO). Zudem kann eine wirksame Schiedsvereinbarung den Weg zu den ordentlichen (staatlichen) Gerichten ausschließen (§§ 1026, 1031 I ZPO). Gleichwohl bietet auch das Schiedsverfahren größere Freiheiten der Parteien: Sie können die Person des Richters bestimmen oder ein spezielles Verfahren zu ihrer Bestimmung etablieren (§ 1035 I ZPO). Sie können das anzuwendende normative Programm wählen, d.h. sowohl materielles Recht („Wer bekommt was?“) als auch Prozessrecht („Wie genau läuft das Verfahren ab?“) bestimmen. Dabei können sie sich bestehender staatlicher (auch ausländischer) Rechtsordnungen bedienen oder, im Extremfall, ein eigenes „Gesetz“ schreiben (§§ 1042 III, 1051 I ZPO).
Ziel aller dieser Verfahren ist es, den Weg zu den ordentlichen Gerichten zu vermeiden. Dies dient verschiedensten Zwecken, die von der höheren Vertraulichkeit (Gerichtsverfahren sind in der Regel öffentlich) über die Hoffnung auf Eskalationsvermeidung bis hin zur möglichen Kostenersparnis reichen.
Welches Verfahren sich dabei für die konkreten Parteien und ihren konkreten Fall eignet, lässt sich nicht pauschal beantworten. Neben den gröbsten, hier dargestellten Unterschieden, besteht ein großer Gestaltungsspielraum im Detail, der aber durchaus auch rechtliche und tatsächliche Grenzen hat. Die Parteien sind daher gut beraten, alternative Lösungsmodelle in Betracht zu ziehen und in ihren mitunter diffizilen Konsequenzen zu erwägen.
Neben diesen freiwilligen Lösungsmechanismen gibt es bereichsspezifisch staatlich angeordnete Verfahren mit ähnlichem Zweck oder ähnlicher Methode: So gibt es im Bereich des Verbraucherschutzrechts Verständigungsverfahren (vgl. etwa Verordnung (EU) 524/2013), die für den Unternehmer nicht freiwillig sind. Auch sieht das Prozessrecht vor Erhebung von Klagen vor staatlichen Gerichten bisweilen ein vorgelagertes Schlichtungsverfahren vor (§ 15a I EGZPO, z.B. i.V.m. § 1 I LSchlG-RLP). Selbst nach Erhebung der Zivilklage strebt auch das staatliche Prozessrecht jederzeit eine gütliche (d.h. nicht oktroyierte) Lösung an. Dieses in § 278 I ZPO zum Ausdruck kommende Ziel erlaubt es dem Gericht sogar, durch einen nicht entscheidenden Richter verschiedenste Lösungsmethoden einschließlich der Mediation zur Anwendung zu bringen (§ 278 V ZPO) oder den Parteien ein außergerichtliches Verfahren vorzuschlagen (§ 278a I ZPO). Das gilt grundsätzlich auch im Verwaltungsgerichtsverfahren (§§ 173 S. 1 VwGO, 278 V, 278a I ZPO). Selbst im in besonderem Maße hoheitlich geprägten und objektiven Strafprozess gibt es im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs Einsatzgebiete für Mediation und ähnliche Verfahren (§ 155a S. 1, 2 StPO), die auch für eine eventuelle Verfahrenseinstellung relevant sein können (§ 153a I 1, 2 Nr. 5 StPO).